Bericht von Sr. Francesca aus Ihrer Arbeit bei IN VIA-München

„Bei Euch fühle ich mich zu Hause"

Letzte Woche traf ich zum ersten Mal seit der Corona-Pandemie Nizar, einen jungen Mann, den ich bei seiner Ausbildung zum Anlagemechaniker bei IN VIA begleite.
Seit kurzer Zeit ist es wieder möglich, dass wir einzelne Klienten entsprechend unserem Hygienekonzept empfangen können, wenn sie eine Beratung benötigen.

„Oh Francesca ich habe euch so vermisst. Es ist wirklich total schwierig. Bei euch fühle ich mich zu Hause und da weiss ich, dass ich dazu gehöre und einfach ein paar andere Leute treffe und mit euch reden kann. Das vermisse ich so sehr. Es geht mir zwar gut in der Ausbildung, habe auch keine Probleme in der Schule, aber einfach zu spüren, wo ich dazu gehöre, das fehlt mir sehr."

Nizar ist vor 4 Jahren aus Jordanien über Griechenland zu uns nach Deutschland geflohen. Seine Familie lebt weiterhin in einem Camp in Jordanien. Für ihn war es zu gefährlich, dort zu bleiben, und so machte er sich auf den Weg.
Der junge Mann gehört zu den jungen Leuten von uns, die eine Berufsausbildung machen und von uns begleitet werden. Da er in seiner Heimat schon 2 Semester studiert hatte, tut er sich relativ leicht, dem Fachunterricht als Anlagemechaniker zu folgen. Er braucht von uns darin keine Lernhilfen, sondern hin und wieder eine Beratung, um eine der vielen Anträge bei den Behörden auszufüllen. Besonders heikel sind die Formulare, bei denen es um die Verlängerung des Aufenthaltes geht.

Mit Nizar kann ich über Gott und die Welt sprechen. Er weiß dass ich eine „Schwester“ bin und kennt diese auch aus seiner Heimat. Vor einigen Monaten zeigte ich ihm eine Kalligrafie des Gottesnamens: der BARMHERZIGE. Er war total begeistert und wunderte sich, woher ich dies hätte. Ich erzählte ihm von dem Buch, den ein Mönch geschrieben hatte und in dem er die 99 Namen Gottes auch für uns Christen erklärt.

Schon im ersten Lockdown, so erzählt Nizzas mir nun, ist er immer depressiver geworden. Er konnte den Kontakt mit seiner Familie über WhatsApp aufrecht erhalten, aber ihm fehlten einfach die sozialen Kontakte hier vor Ort- auch die Austreffen bei IN VIA. Er berichtet von seiner kranken Mutter, die dringend eine Operation braucht und der er gerne mehr Geld nach Hause schicken würde. Das wird immer schwieriger, da sie zum Teil wegen Kurzarbeit weniger Gehalt bekomme. Es reichte gerade für die Miete und die Lebensmittel.

So wie Nizar geht es den meisten jungen Leuten, die wir auf dem Weg der Ausbildung begleiten. Viele vermissen zusätzlich die Lernhilfen, die von ehrenamtlichen Tutor/Innen sonst 1-2 Mal in der Woche angeboten werden.
Im Juli, August und September haben wir versucht Strukturen aufzubauen, die den Hygiene Vorschriften entsprechen. Vor allem haben wir nach Möglichkeiten gesucht, das Lernen auch digital zu ermöglichen. Da stoßen wir an technische Grenzen, da die meisten keinen Laptop besitzen oder in ihrer Gemeinschaftsunterkunft keine WLAN-Verbindung haben. Ein Spendenaufruf für gebrauchte Laptops war erfolgreich, auch eine Spende einer großen hiesigen Zeitung, ermöglicht es uns 10 Laptops zu kaufen.
Unsere Ehrenamtlichen schulen wir im Online-Lernen, unsere Auszubildenden ebenfalls.
Manche jedoch sind auf eine Lernhilfe vor Ort dringend angewiesen. Dies ist zur Zeit unter strengen Auflagen möglich.

Wie wird es Nizar wohl an Weihnachten gehen? Nizar ist Muslim, aber er hat zu Hause immer Weihnachten gefeiert: Weihnachten ist ein schönes, frohes Fest! Weißt du, das ist bei uns ganz normal. Viele unserer Nachbarn in unserem Dorf sind Christen - und natürlich feiern wir zusammen. Deswegen ist es schön, dass wir auch bei IN VIA jedes Jahr eine Weihnachtsfeier haben. Ich hoffe, dass die dieses Jahr nicht auch noch ausfällt.“

Ich kann es Nizar nicht versprechen. In unserem Team sammeln wir schon die verschiedensten Ideen: Weihnachtsfeier über ZOOM, jeder besorgt sich etwas zu essen und wir speisen dann gemeinsam, oder wir gehen in den Park und machen ein Lagerfeuer…. Oder wir treffen uns in der Adventszeit mit jedem einzelnen …oder, oder…

Aber eines kann ich NIZAR versprechen: Weihnachten fällt nicht aus und wir werden feiern, dass Gott mit uns ist und wir uns nicht fürchten werden.

Das versteht NIZAR: Ja, Gott ist der BARMHERZIGE.

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