Advent - Licht über der Urflut
von Sr. Josefa Thusbaß
Spätestens mit dem ersten Advent wird uns bewusst, wie tief wir in der Dunkelheit des Winters angekommen sind. Licht wird zum raren Gut, das die Sehnsucht nach Sonne und Wärme beflügelt. Wer jetzt allein in der Dämmerung unterwegs ist oder in die Nacht hineingeht, spürt diese Spannung von Gefahr und zugleich das Empfinden tiefer Stille. „Die Nacht lehrt vieles, was die Tage nicht wissen!“, sagt ein östlicher Spruch. Schon das kleinste Licht, das wir dann in der Finsternis entzünden, gibt uns das Gefühl, in eine Insel schützender Wärme eingetreten zu sein. Gleichwohl bleibt diese Insel immer von der umgebenden Finsternis bedroht, und wir möchten am liebsten noch viel mehr Lichter anzünden, um das Dunkel endgültig zu vertreiben. Genau dies ist das Wunder der vier Kerzen im Advent, die wir nacheinander entzünden. Im gleichen Maße, wie die Finsternis zunimmt, sollen sie die Welt erhellen und - auch in unserem modernen Lichtermeer - Finsternis vertreiben und Frieden schaffen. Auch die kleinen Fenster im Adventskalender sind aus diesem Wunsch entstanden. Mit ihnen öffnen wir symbolisch unsere inneren Fenster, damit es in uns hell wird.
Dunkle Stunden gibt es nicht nur in der Natur, sie gibt es auch in uns und sie gibt es als Unfrieden zwischen uns. Sie sind Bedrohung und zugleich sind sie die Stunden, die den Schöpfergeist zum Erwachen bringen. Im Alten Testament der Bibel beginnt der Anfang der Welt mit den Worten: „…Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über den Wassern.“ So gehen wir ab jetzt auf Weihnachten zu, dem Fest des Friedens und des Ankommens des Göttlichen in uns und unter uns. Ein Fest, das alle Religionen zu ihrem jeweils eigenen Zeitpunkt und auf ihre jeweils eigene Art feiern. Würden wir Menschen die Idee von Advent ernst nehmen, käme die immer wieder aufbrandende „Urflut“ des Unfriedens in der Welt zu einem Ende.