Über Gewalt und Freiheit
von Sr. Josefa Thusbaß
Ein widersprüchliches Wortpaar! Denn Gewalt, in all ihren Spielarten, lebt geradezu davon, aus dem Freiheitsverlust anderer schäbigen Nutzen zu ziehen. Das Gewaltsame scheint unserem menschlichen Wesen so mühelos eigen zu sein, als wäre es angeboren. Freiheit andererseits und der freie Wille insbesondere, sind wohl die rätselhaftesten Anlagen, die das Leben uns mit auf den Weg gibt. Sie können für uns Fluch und Segen zugleich sein. Freiheit, innere Freiheit, ist eine Möglichkeit im Leben, keine Gegebenheit. Die Entwicklung einer inneren Freiheit, die sozial verantwortet ist und die ohne Gewalt auskommt, bedarf einer persönlichen Entscheidung, vor allem aber des beispielhaften Vorlebens anderer. Und selbst dann dürfen wir uns nie ganz sicher sein, ob einem in Ausnahmesituationen nicht doch einmal die Kontrolle entgleitet - ein Verhängnis unseres Menschseins oder gar ein Erbe der Evolution? Wir wissen es nicht!
Sicher ist, dass der Umgang mit der eigenen Freiheit immer auch der Umgang mit der Freiheit der anderen ist und dass es nicht immer leicht ist, diesen Weg gewaltfrei zu gehen. Dazu braucht es vor allem auch die Beachtung der Regeln, die das scheinbar naturgegebene Recht des Stärkeren zum Schutz des Schwächeren eingrenzen. Wir haben berechtigte Sorge, dass es in der derzeitigen Weltlage Tendenzen gibt, genau diese Regeln außer Kraft zu setzen. Das Ergebnis einer solchen Entwicklung wäre das geraubte Vorrecht zur Ausübung von Gewalt für einige wenige und zugleich das Ende der Freiheit für viele. Damit dies nicht so kommt, müssen wir hellwach auf die Wege achten, auf denen wir als Gesellschaft unterwegs sind.